"El Poco Peso" - 10" f/4,5 Ultraleicht-String-Dobson
Die Evolution eines Newton
Im April 1997 kaufte ich ein gebrauchtes MEADE Starfinder 10" EQ, nachdem ich die Astronomie fast 7 Jahre lang mit 60/700mm-Kaufhaus-Refraktor und Fernglas genossen habe. Mit guter Optik aber mäßiger Mechanik hatte ich immer reichlich zu schleppen. Hätte ich damals schon mehr über Dobsons, ultraleicht-Bauweise und Minimalismus gewusst, hätte ich sicher eine andere Entscheidung getroffen :-) Die parallaktische Montierung und der geschlossene Tubus waren mir einfach zu schwer, sperrig und zu aufwendig aufzubauen.
Die richtige Inspiration für was neues kam dann im Mai 2001 auf dem ITV. Dort hatte Stathis Kafalis mit seinem 24" "Kyklopas" First Light. Dieser und andere Minimal-Dobsons waren das, was ich lange gesucht hatte. Und was groß geht, geht mit 10" erst recht, dachte ich mir, und hab angefangen zu Planen und zu Rechnen.
Die Rahmenkriterien für den Selbstbau waren schnell klar:
- Verwendung der Optik aus dem Starfinder
- leichte Bauweise (Holz, Aluminium, CFK)
- offene Struktur, weniger Windangriffsfläche, weniger Gewicht
- Werkzeugfreier Auf- und Abbau, sichere Verbindungen und Justierstabilität
So entstand dann mein erster Dobson in Leichtbauweise mit pyramidenförmiger, relativ hoher Spinne auf Ein-Ring-Oberteil, klassischer Truss-Tube mit 8 Carbonstangen und Fahrradschnellspannern und außerdem einiges an Blei als Gegengewicht in der Spiegelbox um den Schwerpunkt nach unten zu verlagern, nachdem Überlegungen und Versuche zu Federgegengewichten gescheitert sind. Mir fehlten unten 2,5 bis 3kg, was bei dem geringen Gesamtgewicht viel zu viel war um diese sinnvoll mit Federn aufbringen zu können. Da der Dobson aber trotz Blei nur 13kg wog, konnte ich gut damit leben. Einfache Handhabung, leicht zu transportieren, alles in allem hat das Teleskop richtig Spaß gemacht. Aber irgendwie hatte ich immer das Gefühl "Das kannst du noch besser".
Also hab ich mich zwei Jahre nach der ersten Version wieder hingesetzt und überlegt was man an Gewicht und Packmaß noch alles sparen kann um die Handhabbarkeit und damit den Spaßfaktor noch zu verbessern. Mit herkömmlichen Konstruktionen hätte ich noch ein oder zwei Kilo abbauen können, war mir aber zu wenig. Also auf zu radikaleren Methoden: Alles weg was nicht unbedingt gebraucht wird. Unverzichtbares soll möglichst nach unten in die Spiegelbox wandern um dem Schwerpunkt tief zu halten. Statt 6 oder 8 Stangen kommen jetzt 6 Zugseile und 3 Druckstangen zum Einsatz. Außerdem habe ich einen kleineren Fangspiegel verbaut und eine leichtere Klemmhülse als OAZ-Ersatz eingebaut. Vom ursprünglichen Starfinder waren dann nur noch der Haupspiegel und die Druckfedern der Spiegelzelle übrig.
Die erste String-Dobson Version hatte noch Alu-Stangen und Drahtseile verbaut und war mit dem von vielen so geliebten Graniteffektlack besprüht. Diesen habe ich in der letzten Umbauphase abgeschliffen, da er anfing zu bröckeln. Die Drahtseile hatten den Nachteil, dass beim Transport entstandene Knicke nicht mehr rausgehen. Ersetzt habe ich sie mit Bogensehne und die die Alu-Stangen mussten Carbonstangen weichen. Die ursprüngliche Idee mit einer Klemmhülse statt einem vollwertigen Okularauszug auszukommen musste ich verwerfen. Statt dessen habe ich einen 1,25" Helikal-Auszug montiert.
Seit 2008 existiert "El Poco Peso" (der Leichtgewichtige) jetzt so, wie ich ihn hier in seinem elektronischen Zuhause präsentiere, aber macht euch selbst ein Bild davon:
Technische Daten
Hauptspiegeldurchmesser: | 254mm (10") |
Brennweite: | 1140mm (f/4,5) |
Fangspiegeldurchmesser: | 50mm |
max. Gesichtsfeld: | ca. 1,4 Grad |
Gewicht des Hauptspiegels: | 2,9kg |
Gesamtgewicht: | 7,3kg (inkl. Peilsucher und Streulichtblenden) |
Beschreibung der Einzelkomponenten
Das Oberteil
Ein-Ring-Oberteil aus 12mm Multiplex mit T-förmiger 1mm starker, flachbauender Carbon-Spinne. Durch die Anordnung der Spinne direkt "hinter" dem Fangspiegel blieb kaum noch Platz für die Jusiermechanik. Bei Dan Gray hab ich dann gesehen, daß das auch anders geht: Der 50mm große Fangspiegel ist mit Spiegelklebeband direkt auf die Spinne geklebt und fest im Oberteil eingebaut. Justiert wird durch verkippen des Oberteils über die Seillänge. Das spart noch mal ein paar Gramm an Schrauben und Federn am wichtigen oberen Ende.
Statt klassischem Okularauszug hatte ich eine Steckhülse mit Messingklemmring im Einsatz. Zum Fokusieren wurde das Okular durch leichtes drehen rein und raus geschoben. Leider hat das alles etwas gehackt und sich als nicht praxistauglich erwiesen. Vor allem Okulare mit Sicherungsnut waren nur schlecht zu verwenden. Statt dessen wurde die Hülse durch einen 1,25" Helikal Auszug ersetzt. Dieser ist mit seinen etwa 65g wirklich leicht und funktioniert auch bei hohen Vergrößerungen perfekt.
Das komplette Oberteil inkl. Streulichtschutz und Peilsucher wiegt ca. 500g.
Drei Druckstangen - sechs Zugseile
Die 12mm Carbonstangen stehen auf Druckfedern und spannen damit die Zugseile. Zur Reduzierung des Packmaßes können die Stangen geteilt werden. In die Verbindung ist ein Gewindestab, bzw. eine Gewindehülse eingeklebt. Damit werden die Stangen durch "auseinanderschrauben" verlängert bis die Druckfedern ganz zusammengedrückt sind. Das erhöht die Spannung auf den Seilen noch mal erheblich. Nur zur Justierung des Oberteils muss noch etwas Federweg übrig bleiben um die Seillänge ändern zu können. Da die Stangen nur auf Druck belastet werden ist die seitliche Stabilität zweitrangig. Die Seile bestehen aus 6 Lagen Sehnengarn aus dem Bogenschießsport. Dieses Material ist leicht, wird durch Knicke nicht beschädigt und zeigt keine Ausdehnung bei Temeraturschwankungen oder hohen Zugkräften. Am Oberteil sind die Seile durch Bohrungen in einem Stück 3mm Carbon-Platte geführt. Unten einfach an M5-Ringschrauben geknotet, die durch Einschlagmuttern von unten gehalten werden und damit justiert werden können. Gekonterte Flügelmuttern arretieren die Justiereinstellung sicher. Mehr zur Justierung eines String-Dobsons findet sich in der Beschreibung meines 4,5" Suchers
Da das Sehnengarn gewachst ist, rutschen einfache Knoten durch. Mangels Pfadfinder-Ausbildung habe ich mir einfach mit Pionier-Verzweiflungs-Knoten geholfen. Nicht schön aber bis jetzt hälts :-) Das kleine Carbon-Plättchen am Oberteil nimmt sowohl die Druckkräfte der Stangen als auch die Zugkräfte der Seile auf, die somit nicht auf den relativ dünnen Ring übertragen werden.
Beim Transport bleiben die Seile montiert, zum Aufbau werden nur die drei Stangen aufgestellt, unter das Oberteil geklemmt und bis zur endgültigen Seilspannung auseinandergedreht, fertig.
Gewicht der Stangen und Seile inkl. Befestigungen und Justierschrauben: ca. 200g.
Spiegelbox und Hauptspiegelzelle
Spiegelbox aus 9mm Birke-Multiplex, 7cm hoch. An der Deckplatte mit 26cm Kreisausschnitt hängt die dreieckige 9-Punkt-Spiegelzelle mit Auflagedreiecken aus 3mm starkem CFK. Die Alu-Profile haben einen Querschnitt von 15x15mm bei einer Wandstärke von 1,5mm. Die Verbindungsdreiecke aus 0,8mm Alublech sind auf der Unterseite geklebt und genietet, auf der Oberseite nur geklebt weil kein Platz für die Köpfe der Nieten mehr war. Die Zelle wird am Ende der drei Balken mit Rädelschrauben gegen starke Druckfedern justiert. Ist ein bischen Schwergängig (mit Handschuhen nichts zu machen), hat aber den Vorteil, daß die Zelle beim Transport auch ohne Feststellschrauben justierstabil bleibt. Die Auflagedreiecke liegen frei beweglich auf den Rundungen von Stoppmuttern in konischen Bohrungen im Aluprofil.
Die Box inkl. Spiegelzelle, Spiegel und Höhenräder ist ca. 5,5kg schwer (2,9kg alleine der Hauptspiegel).
Rockerbox, Höhenräder und Basisring
Offene Bauweise und damit leicht. Die Basisring besteht aus einem 12mm Multiplex-Ring, der zur Gewichtsersparnis mit 35mm-Bohrungen versehen ist. Der Boden der Rockerbox ist aus 16mm Multiplex, die Seitenteile sind 12mm stark und genau wie die 15mm starken Höhenräder ebenfalls mit Löchern zur Gewichtsersparnis versehen. Die wenigen Löcher sehen zwar nicht so aus, aber insgesamt waren das mal ein halbes Kilo Holz!
Wiege und Basis wiegen 1400g.
Die Gleitlager
Sowohl die Höhenräder als auch der Azimutalring gleiten auf 2mm starken Teflonpads. Das Gegenstück bildet graues Küchenarbeitsplattenresopal, das zur Senkung der Haftreibung mit Autowachs eingerieben ist. Geht schön leicht (auch nahe am Zenit) und in beiden Achsen mit gleicher Kraft.
Vor- und Nachteile
Klarer Vorteil ist natürlich die Mobilität mit solch einem Reise-Dobson: nimmt nicht viel Platz weg und passt immer noch zum übrigen Gepäck ins Auto. Da lass ich doch lieber das Fernglas zuhause :-)
Der Auf- und Abbau geht sehr schnell vonstatten, mehr als eine Minute braucht man nicht: Höhenräder anschrauben, Stangen einsetzen und unter das Oberteil klemmen, Streulichtschutz mit Klettverschluß dranpappen, auf die Rockerbox setzen, Okuar rein ... und los gehts.
Naja, auskühlen muss er natürlich noch.
Da die Rädelschrauben der Hauptspiegelzelle ziemlich schwergängig sind, verstellt sich hier nichts beim Transport. Zusammen mit den arretierten Justierschrauben der Seile und damit konstanter Seillänge ist das Teleskop unglaublich justierstabil geworden. Getestet hab ich das, indem ich alles ca. 20-30 Mal auf- und abgebaut habe und dazwischen immer wieder die Stangen vertauscht und die Spiegelbox geschüttelt (Transportsimulation :-)
Die maximale okularseitige Zuladung beträgt nach optimierter Positionierung der Höhenräder nur etwa 270g, also nicht tauglich für 2" Zubehör. Die Brennpunktlage ist extrem knapp, sodaß Okulare mit "exotischer" Fokuslage schwierig werden (hab zum Glück keine solchen). Abgestimmt habe ich den Fokus auf meine Nagler Typ 6, die etwas mehr als 6mm extrafokalen Weg benötigen.
Die Rockerbox ist aufgrund der offenen Bauweise nicht Wiesentauglich! Da muß ich halt ein Stück Plane oder ähnliches unterlegen. Meine üblichen Beobachtungsplätze hier in der Gegend sind asphaltiert oder zumindest gut befestigt.
Fazit
Insgesamt ist ein schönes Teleskop mit simpler, funktionierender Technik entstanden, das in Sachen Gewicht und Handling eigentlich keine Wünsche offenläßt. Der Verzicht auf ein 2" Übersichtsokular fällt nicht ins Gewicht, da ich auch mit 1,25" weit über einem Grad Gesichtsfeld erreiche.
Mittlerweile hat sich die Seil/Stangen-Konstruktion sehr gut bewährt. Als Nachteil hat sich die Windanfälligkeit erwiesen, da die Streulichtblende bezogen auf das Gesamtgewicht des Teleskops eine relativ große Fläche hat. Die Seile aus Bogensehne fangen nach 3 Jahren an sich aufzulösen, sind aber schnell und günstig ersetzt.
Für mich ist das Konstruktionsprinzip so überzeugend, dass ich auch die nächsten Teleskope so bauen werde.